Dies ist der sechste Teil unserer Serie zur Agenda der EU-Kommission von Politikwissenschaftler @BalderGullveig.
Hier die Links zu den vorangegangenen Artikeln: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 5.
Nun ist es amtlich: Der Begriff „Reparation“ im sogenannten Reparationskredit hat endgültig auf der geschichtlichen und rhetorischen Müllhalde Platz genommen – was immer klar war, denn echte Reparationen durch Russland wird es nie geben. Der EU-Gipfel vom 18. Dezember 2025 hat, wie in den vorhergehenden Teilen dieser Serie prognostiziert, eine Entscheidung über einen substantiellen Kredit an die Ukraine hervorgebracht. Doch das Ergebnis stellt sich als Desaster für die Hardliner innerhalb der EU-Institutionen und unter den Staats- und Regierungschefs dar, die eine direkte Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögenswerte favorisierten. Diese Fraktion, vertreten durch Figuren wie den deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz und Teile der Europäischen Kommission, hatte lange auf eine Konfiszierung oder Verwendung der Assets gedrängt, um die Finanzlast von den EU-Haushalten abzuwenden. Stattdessen endete der Gipfel mit einem Kompromiss, der auf gemeinsame Schuldenaufnahme setzt – eine Lösung, die die prognostizierten rechtlichen und politischen Hürden bestätigt und die EU tiefer in eine Schuldenunion treibt. Wie der ungarische Premierminister Viktor Orbán in einem Interview betonte, sei der Plan zur Nutzung russischer Assets ein „dead end“ – ein toter Weg, der aufgrund völkerrechtlicher Risiken nicht gangbar sei. Der belgische Premierminister Bart De Wever äußerte ähnliche Bedenken, indem er die rechtliche Basis als unsicher einstufte, was die Verhandlungen verlängerte und letztlich zum Scheitern des Assets-Plans führte. EU-Ratspräsident António Costa resümierte lapidar: „We have a deal. Decision to provide 90 billion euros of support to Ukraine for 2026-27 approved. We committed, we delivered.“ Doch diese Worte kaschieren die Niederlage: Die Hardliner mussten einsehen, dass ihre Ambitionen an den Realitäten des Völkerrechts scheiterten, was die EU zu einer kostspieligen Alternative zwang und interne Spaltungen vertiefte. War dies wirklich ein Erfolg, oder nur ein weiterer Schritt in die Schuldenfalle?
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Dieses Desaster beschränkt sich jedoch nicht allein auf die politischen Hardliner, sondern trifft insbesondere auch die Mainstream-Medien hart. Diese haben, vermutlich getrieben von einem moralischen Impetus im Kontext des Ukraine-Konflikts, viel zu lange die unhaltbare Narrative aufrechterhalten, wonach die eingefrorenen russischen Einlagen als Sicherheit für den Kredit herangezogen werden könnten. Es kann hierbei nicht an Unwissenheit gelegen haben, da die völkerrechtlichen Risiken in der Fachwelt nahezu unbestritten waren und sind – Experten wie der Völkerrechtler Philippe Sands haben bereits 2023 in der Financial Times gewarnt, dass eine Konfiszierung „a legal minefield“ darstelle und zu internationalen Konflikten führe. Stattdessen haben sich die Mainstream-Medien, darunter große Blätter wie die Süddeutsche Zeitung, in den Dienst einer politischen Agenda gestellt, indem sie diese Risiken systematisch bagatellisierten und die Machbarkeit übertrieben darstellten. Dies hat nicht nur zu einer völligen Fehleinschätzung der völkerrechtlichen Situation und damit des Zielmodells des Kredits geführt, sondern insbesondere dazu, dass die in dieser Artikelserie wiederholt angesprochenen Machtverschiebungen und Bedrohungen der Grundlagenverträge gezielt und bewusst verschwiegen wurden. Sehr deutlich muss hier hervorgehoben werden: Die Medien haben es versäumt, die Öffentlichkeit über die implizite Zentralisierung der EU durch Instrumente wie Artikel 122 AEUV aufzuklären, die nationale Souveränität untergraben und Parlamente marginalisieren. Statt kritischer Berichterstattung über diese nicht legitimierte Transformation – wie sie in Teil 3 und 4 detailliert wurde – dominierten moralisierende Appelle an Solidarität, die die tatsächlichen Kosten und Risiken für nationale Haushalte ausblendeten. Diese Verschwiegenheit ist kein Zufall, sondern ein Muster, das die Glaubwürdigkeit der Medien untergräbt und zu einer Polarisierung der Gesellschaft beiträgt, da alternative Stimmen in Nischenmedien an Boden gewinnen – ein Muster, das sich in der aktuellen Berichterstattung widerspiegelt, die den militärischen Fokus auf die Lücken im Deal betont, ohne die Zentralisierungsrisiken zu thematisieren, und offizielle EU-Quellen wie das Consilium die Bestätigung des Kredits als Erfolg feiern, ohne die langfristigen Belastungen zu erörtern.
Diese Entwicklung unterstreicht die sukzessive Zentralisierung der EU, wie sie in Teil 3 und 4 dieser Serie als nicht legitimierte Machtverschiebung und Vehikel für föderale Transformation beschrieben wurde. Im Folgenden werden die Eckdaten des Beschlusses dargelegt, die Bestätigung der Prognosen erläutert – insbesondere die Unmöglichkeit einer faktischen Verwendung der russischen Assets aus völkerrechtlichen Gründen – und die potenziellen nächsten Schritte skizziert, einschließlich der wahrscheinlichen Aktivierung weiterer Haushaltsinstrumente.
Die Eckdaten des EU-Kredits: Höhe, Mechanismus und Haftungsstruktur.
Der Gipfel endete mit der Zustimmung zu einem Kredit in Höhe von 90 Milliarden Euro, der der Ukraine für die Jahre 2026 und 2027 zur Verfügung gestellt werden soll. Der Kredit ist zinsfrei und wird über die Ausgabe gemeinsamer EU-Anleihen aufgebracht, die die Kommission bei Geschäftsbanken platziert. Die EU haftet für diese Aufnahme, was eine Garantie der Rückzahlung gegenüber den Kreditgebern impliziert. Der Mechanismus basiert auf Artikel 212 AEUV, der wirtschaftliche Hilfen für Drittländer erlaubt, und integriert Elemente der verstärkten Zusammenarbeit (Artikel 20 EUV) für Mitgliedstaaten wie Tschechien, Ungarn und die Slowakei, die von finanziellen Verpflichtungen ausgenommen sind. Im Kern handelt es sich um eine Umschuldung: Die EU leiht sich das Kapital auf den Märkten und reicht es an die Ukraine weiter, mit der impliziten Annahme, dass eine Rückzahlung durch Kiew unwahrscheinlich ist, solange kein Friedensvertrag mit Russland vorliegt, der Reparationen regelt. Da die EU keine eigenen Refinanzierungsmöglichkeiten besitzt – ihr Haushalt wird ausschließlich durch Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert, wie Artikel 310 AEUV festlegt – bedeutet dies eine mittelbare Haftung der Nationalstaaten. Die pro-rata-Verteilung folgt dem EU-Finanzschlüssel: Deutschland als größter Nettozahler würde etwa 25 Prozent übernehmen, was einer Belastung von rund 22,5 Milliarden Euro entspricht, Österreich mit etwa 2,3 Prozent etwa 2 Milliarden Euro – eine Verteilung, die Bloomberg und The Week als typisch für die Lastenverteilung in der EU hervorheben, mit Warnungen vor steigenden Zinsen und Fiskalrisiken für hochverschuldete Staaten.
Die Unmöglichkeit der Verwendung eingefrorener russischer Assets: Völkerrechtliche Risiken und ihre Bagatellisierung.
In den Gipfelverhandlungen wurde explizit klargestellt, dass der Kredit unabhängig von den eingefrorenen russischen Vermögenswerten realisiert wird. Diese Assets, geschätzt auf rund 210 Milliarden Euro, bleiben immobilisiert, bieten jedoch keine Sicherheiten gegenüber den Banken. Allein die EU und damit die Mitgliedstaaten haften. Dies bestätigt die in Teil 1 und 2 dieser Serie geäußerte Vermutung, dass die russischen Einlagen lediglich eine symbolische Kulisse darstellen – eine rhetorische Beruhigungspille, die die Öffentlichkeit von den tatsächlichen Kosten ablenkt.
Besonders hervorzuheben ist, dass eine faktische Verwendung des russischen Kapitalstocks aus völkerrechtlichen Gründen nicht möglich war. Lange Zeit wurden diese Risiken von der EU-Kommission und einzelnen Ländern bagatellisiert; so sprach Bundeskanzler Merz wiederholt von einer „machbaren Lösung“, die die Assets nutzen könne, ohne nennenswerte Konsequenzen. Ähnlich positionierten sich Teile der Kommission, die eine „solide rechtliche Basis“ propagierten. In der Fachwelt jedoch waren und sind diese Risiken unbestritten: Eine Konfiszierung würde gegen Prinzipien des Völkerrechts verstoßen, insbesondere die Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts der Internationalen Rechtskommission der Vereinten Nationen, die eine proportionale und nicht punitive Enteignung fremder Staatsvermögen verbieten. Zudem birgt sie das Risiko von Retorsionsmaßnahmen Russlands, wie die Konfiszierung westlicher Assets in Russland, und könnte zu langwierigen Gerichtsverfahren vor internationalen Tribunals führen. Wie der belgische Premierminister Bart De Wever warnte, sei der Plan „too controversial for quick agreement“, was die völkerrechtlichen Hürden unterstreicht. Auf dem EU-Gipfel einigte man sich daher darauf, die Assets weiterhin einzufrieren, bis Reparationen vereinbart sind, ohne sie jedoch als Kollateral zu verwenden – eine Entscheidung, die die Hardliner-Fraktion desavouiert und die EU zu einer teureren, schuldenbasierten Alternative zwingt.
Die Rolle des G7-Kredits und die Anpassung der Kreditsumme.
Nicht überraschend erweist sich der G7-Kredit, dessen ursprünglich vorgesehene Position von Anfang an unhaltbar war – spätestens mit der Weigerung Japans – und wohl eher als taktischer Streichposten in den offiziellen Unterlagen und Kalkulationen verblieben ist, nachdem man sich mit dieser Idee auf der geopolitischen Bühne eine blutige Nase geholt hatte. Die so mögliche Reduktion der Kreditsumme auf 90 Milliarden Euro von ursprünglich diskutierten 140 bis 165 Milliarden Euro dient ausschließlich der Durchsetzbarkeit des Beschlusses. Sie reflektiert Kompromisse unter den Staats- und Regierungschefs, insbesondere angesichts des Widerstands Belgiens und der Skepsis hochverschuldeter Staaten wie Italien. Dennoch reicht dieser Betrag nicht aus, um den Staatsbankrott der Ukraine zu verhindern. Laut IWF-Schätzungen beträgt der Kapitalbedarf für die nächsten zwei Jahre etwa 137 Milliarden Euro, was eine Lücke von 47 Milliarden Euro hinterlässt. Ohne weitere Mittel droht Kiew ab dem ersten Quartal 2026 ein Kollaps, der militärische und zivile Strukturen gleichermaßen trifft. Die Gipfelentscheidung priorisiert somit die Symbolik einer Einigung über die reale Wirksamkeit, was die in Teil 4 dieser Serie dargelegte Marginalität der wirtschaftlichen Auswirkungen eines ukrainischen Bankrotts auf die EU unterstreicht. Hier ist es zudem aufschlussreich, die prägnanten Haltungen einiger großer EU-Länder zu betrachten, die im Kontrast zur forcierten Agenda der EU-Kommission standen. Frankreich, unter Präsident Emmanuel Macron, betonte zwar die geopolitische Notwendigkeit der Ukraine-Unterstützung, warnte jedoch explizit vor einer Überlastung des EU-Haushalts und plädierte für eine stärker national koordinierte Finanzierung, um die französische Wirtschaft nicht unnötig zu belasten – eine Position, die der Kommissionsforderung nach zentraler Schuldenaufnahme widersprach. Italien, vertreten durch Premierministerin Giorgia Meloni, zeigte ähnliche Skepsis: Als hochverschuldetes Land forderte Rom eine Kappung der Summe unter 100 Milliarden Euro, um nationale Schuldengrenzen einzuhalten, und kritisierte die Kommission für ihre Ignoranz gegenüber südeuropäischen Fiskalrealitäten. Die Niederlande, mit ihrer traditionell sparsamen Haltung, unterstützten diese Linie durch Ministerpräsident Dick Schoof, der eine strikte Konditionalität der Hilfen verlangte und die Kommissionspläne als „fiskal unverantwortlich“ brandmarkte, was die Verhandlungen weiter verzögerte.
Die Ausnahme für bestimmte Mitgliedstaaten: Rechtliche Grundlagen und Präzedenzwirkung.
Ein weiterer Aspekt des Gipfelbeschlusses ist die Ausnahme für Tschechien, Ungarn und die Slowakei, die sich nicht an der Übernahme der Haftungsrisiken beteiligen. Diese Regelung basiert auf Artikel 20 EUV, der eine verstärkte Zusammenarbeit ermöglicht, wenn nicht alle Mitgliedstaaten einverstanden sind. Sie erlaubt es, dass eine Gruppe von mindestens neun Staaten voranschreitet, während andere ausgeschlossen bleiben, solange dies die Einheit des Binnenmarkts nicht beeinträchtigt. In diesem Fall dient sie der Neutralisierung von Vetos, insbesondere aus Budapest und Bratislava, die eine direkte Beteiligung an der Ukraine-Finanzierung ablehnen. Die rechtliche Grundlage ist somit solide, da sie auf primärem Unionsrecht fußt und bereits in anderen Kontexten (z. B. beim Euro oder Schengen) angewandt wurde.
Dennoch stellt dies einen Präzedenzfall dar, dessen Folgen noch nicht absehbar sind. Er vertieft die Fragmentierung der EU, indem er eine Zwei-Klassen-Mitgliedschaft institutionalisiert: Einerseits die Kernstaaten, die die Last tragen, andererseits Peripheriestaaten, die sich entziehen können. Dies könnte zu einer Erosion der Solidarität führen und zukünftige Verhandlungen komplizieren, etwa bei Haushaltsreformen. Hinsichtlich eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens (Artikel 258 AEUV) erscheint dies unwahrscheinlich: Die Kommission würde nur eingreifen, wenn die Ausnahme gegen Unionsrecht verstößt, was hier nicht der Fall ist, da sie explizit erlaubt ist. Allerdings könnte es zu politischen Spannungen kommen, wenn betroffene Staaten wie Deutschland oder Frankreich dies als Ungleichbehandlung empfinden und nationale Gerichte oder den EuGH anrufen. Insgesamt unterstreicht dieser Aspekt die prognostizierte Dynamik einer EU, die durch Notfallmaßnahmen zunehmend zentralisiert, aber intern gespalten wird.
Artikel 122 AEUV als zentraler Hebel: Möglichkeiten.
Die Realisierung des Kredits war nur unter dem Regime von Artikel 122 AEUV möglich, der als Notfallklausel qualifizierte Mehrheitsentscheidungen erlaubt, um wirtschaftliche Notlagen zu bekämpfen. Dieser Artikel, der ursprünglich für innere Versorgungskrisen konzipiert war, wurde hier erstmals umfassend auf einen geopolitischen Kontext angewandt, indem der Ukraine-Krieg als „außergewöhnliche Umstände mit schweren wirtschaftlichen Auswirkungen“ interpretiert wurde. Er ermöglicht es, Einstimmigkeit zu umgehen – eine Praxis, die in der Corona-Krise (NextGenerationEU) und der Energiekrise (REPowerEU) etabliert wurde und nationale Parlamente marginalisiert, wie in Teil 5 dieser Serie detailliert.
Im verabschiedeten Konstrukt wird Artikel 122 explizit für die unbefristete Immobilisierung der russischen Assets genutzt, was eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der Staaten, 65 Prozent der Bevölkerung) erfordert und Vetos neutralisiert. Für den Kredit selbst dient er als ergänzende Grundlage, um Haushaltsspielräume freizusetzen. Es wird höchst wahrscheinlich, dass die EU in den kommenden Wochen oder Monaten die Notfallreserve aktiviert, um auf eine Mindesthöhe von etwa 140 Milliarden Euro zu gelangen – eine Maßnahme, die natürlich nur eine technische Aktion ist, die den Kreditbedarf im Sinne der Entscheidung des EU-Gipfels, also der 90 Milliarden, kurzfristig nominal reduziert, mittelfristig jedoch, also etwa innerhalb der nächsten zwei Jahre, zu einem weiteren Nachschuss dieser gegebenenfalls dann für die Ukraine verwendeten Mittel durch die Nationalstaaten führen wird; beide Ansätze, eine Umschichtung wie auch die Notfallreserve-Aktivierung, reduzieren zwar den Kreditbedarf auf Zahlenebene, verringern die Belastung für die Nationalstaaten aber keineswegs. Artikel 122 ermächtigt die Kommission zudem zu Umschichtungen im bestehenden Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), was eine zweite Option zur Erhöhung auf die benötigten 137 Milliarden Euro darstellt – ebenfalls eine technische Aktion, die den Kreditbedarf nominell verringert, mittelfristig aber zu Nachschüssen durch die Mitgliedstaaten führt, da der MFR nach Artikel 310 AEUV ausschließlich durch Beiträge der Nationalstaaten finanziert wird und Umschichtungen lediglich vorhandene Mittel umverteilen, ohne neue Einnahmen zu schaffen. Im Gipfeltext wird dies andeutungsweise erwähnt, ohne konkrete Beträge zu nennen: „Weiteres koordiniertes Handeln“ und „Verstärkte Kooperation“ signalisieren Flexibilität.
Artikel 122 AEUV als zentraler Hebel: Implikationen.
Diese Nutzung von Artikel 122 verstärkt die Zentralisierung, da sie die Kommission zu einem quasi-souveränen Akteur macht und nationale Haushalte langfristig belastet. Solche Äußerungen unterstreichen die Dynamik: Der Gipfelbeschluss ist ein erster Schritt in einer Kette, die weitere Haftungen impliziert. Darüber hinaus hat dieser Gipfel eine stilistische Grenzüberschreitung im Vergleich zu bisherigen EU-Gipfeln dargestellt, die nicht nur eine faktische Machtverschiebung ohne entsprechende Legitimierung hervorgebracht hat, sondern auch für den Beobachter frappierend war. Besonders auffällig war der anmaßende Stil und Ton der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die – wie jeder weiß – nicht direkt gewählt wurde, sondern durch ein komplexes Verfahren der Europäischen Parlamente und Staatschefs ernannt wurde. In den Verhandlungen sprang sie mit den gewählten Staats- und Regierungschefs um, bis hin zu unmissverständlichen Drohungen, um das von ihr, aber nicht von der Mehrheit der Teilnehmer gewünschte Ergebnis durchzusetzen. Dies manifestierte sich in ihrer harten Rhetorik, wie sie in ähnlichen Kontexten bereits gezeigt hat: So warnte sie in einer Rede vor dem Gipfel vor einer „dangerous reality in shifting world order“ und sprach von „predators“ in der globalen Arena, was implizit Druck auf abweichende EU-Mitglieder ausübte. Ähnlich betonte sie, dass „aggression against Ukraine is aggression against Europe“, was als implizite Mahnung an Skeptiker wie Viktor Orbán interpretiert werden konnte, der wiederholt mit Veto-Drohungen konfrontiert wurde. Dieses Verhalten ist ein hochinteressantes Fallbeispiel für das Selbstverständnis der EU-Kommission, das nicht lediglich die Politik der Mitgliedstaaten, der souveränen Nationalstaaten, koordiniert, sondern den Anspruch hat, die Politik dieser souveränen Nationalstaaten auch gegen deren Willen und Interessen vorzugeben. Es entspricht dem klaren Selbstbild einer übergeordneten Instanz, was den Grundverträgen der EU Hohn spricht, die die Kommission als Hüterin der Verträge positionieren, nicht als dirigierende Macht. In früheren Gipfeln, wie dem von Dezember 2023, wo Orbán drohte, den Ukraine-Beitritt zu vetoen, wurde ähnlicher Druck ausgeübt, um Einigungen zu erzwingen, was die Kommission als zentrale Treiberin einer föderalen Agenda etabliert. Diese Dynamik untergräbt die subsidiaritäre Struktur der EU und birgt das Potenzial für langfristige Konflikte, da sie die Legitimität der Entscheidungen in Frage stellt und nationale Demokratien schwächt. Kritiker, darunter einige EU-Diplomaten, sehen darin eine Verschiebung hin zu einer supranationalen Herrschaft, die ohne ausreichende demokratische Kontrolle voranschreitet und die Souveränität der Mitgliedstaaten aushöhlt. Als konkretes Beispiel: Sollte die Notfallreserve von 50 Milliarden Euro aktiviert werden, entspräche dies aus ökonomischer Sicht einer Erhöhung der gestern beschlossenen Summe von 90 Milliarden auf 140 Milliarden Euro, weil die Nationalstaaten verpflichtet sind, diese Reserve wieder aufzufüllen – gemäß Artikel 311 AEUV und den Regelungen des Mehrjährigen Finanzrahmens, die eine Auffüllung durch zusätzliche Beiträge der Mitgliedstaaten vorschreiben, um den Haushalt auszugleichen; somit bleibt die Belastung für die Nationalstaaten unverändert hoch, da die Mittel letztlich aus ihren Taschen stammen.
Vergleich mit früheren EU-Krisen.
Um die Prognose der Zentralisierung zu untermauern, lohnt ein Vergleich mit früheren EU-Krisen wie dem NextGenerationEU-Fonds während der COVID-Pandemie. Dieser Fonds, mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro, wurde ebenfalls durch gemeinsame EU-Anleihen finanziert und hat die Schuldenlast der EU um über 800 Milliarden Euro erhöht, was zu Kostensteigerungen von bis zu 20 Prozent durch Zinsen führte, wie Bruegel-Analysen zeigen. Ähnlich wie beim Ukraine-Kredit diente Artikel 122 AEUV als Hebel für qualifizierte Mehrheiten, was nationale Parlamente umging und die Kommission stärkte – eine Parallele, die die sukzessive Föderalisierung unterstreicht, mit quantitativen Daten zu steigenden Beiträgen der Staaten (z. B. Deutschland +15 Milliarden jährlich). Ist dies der Preis für „Solidarität“, oder ein Pfad in die Abhängigkeit?
Zusammenfassung der Implikationen.
Zusammenfassend bestätigt der Gipfel die Kernprognosen dieser Serie:
* Die russischen Assets dienen als Kulisse, ohne reale Sicherung;
die Haftung liegt bei den Nationalstaaten, da völkerrechtliche Risiken eine Verwendung verhinderten.
* Der G7-Kredit war eine unrealistische Größe zur Aufblähung der Summe.
* Die 90 Milliarden Euro reichen nicht aus, um den ukrainischen Bedarf von 137 Milliarden Euro zu decken.
* Artikel 122 AEUV ist der zentrale Hebel, der Zentralisierung vorantreibt und weitere Erhöhungen ermöglicht.
* Die Ausnahme für Tschechien, Ungarn und die Slowakei schafft einen Präzedenzfall für fragmentierte Solidarität.
* Die EU-Haushaltsstruktur führt zu mittelbaren nationalen Belastungen, ohne echte Transparenz.
* Die Mainstream-Medien haben durch Verschweigen von Risiken und Machtverschiebungen ihre Rolle als Agenda-Setzer entlarvt.
* Der Gipfel markiert eine stilistische Grenzüberschreitung durch den anmaßenden Ton der Kommission, der die Souveränität der Mitgliedstaaten untergräbt.
Diese Entwicklung markiert einen für alle sichtbaren Dammbruch in der EU-Architektur, der sich in mehreren Dimensionen manifestiert: Zunächst der Bruch mit der traditionellen Fiskalautonomie der Mitgliedstaaten durch die traditionelle Haftung, die nationale Haushalte ohne direkte Zustimmung belastet; zweitens der Dammbruch in der völkerrechtlichen Vorsicht, indem symbolische Kulissen wie russische Assets priorisiert werden, anstatt reale Sicherheiten zu schaffen; drittens der Bruch mit demokratischer Legitimation, da Artikel 122 AEUV als Notfallhebel missbraucht wird, um Vetos zu umgehen und Parlamente zu marginalisieren; viertens der stilistische Dammbruch durch die anmaßende Haltung der Kommission, die sich über gewählte Staatschefs erhebt; und schließlich der mediale Dammbruch, bei dem Mainstream-Medien Agenda statt Aufklärung betreiben und Machtverschiebungen verschweigen.
Diese Brüche vertiefen Spaltungen innerhalb der Union, fördern Fragmentierung und untergraben die Solidarität, während sie die EU tiefer in eine Schuldenunion treiben, ohne ausreichende Transparenz oder Kontrolle. Insgesamt offenbart diese Serie die Ukraine-Krise als katalytisches Vehikel für eine schleichende Föderalisierung der EU, die unter dem Deckmantel geopolitischer Notwendigkeit nationale Souveränitäten aushöhlt, institutionelle Machtdynamiken verschiebt und die demokratischen Fundamente der Union auf die Probe stellt – eine Transformation, die ohne breite gesellschaftliche Debatte voranschreitet und langfristig zu einer Krise der Legitimität führen könnte.
Wer gerne mehr von Politikwissenschaftler Balder Gullveig lesen oder sich mit ihm austauschen möchte, findet ihn auf der Social-Media-Plattform X (vormals Twitter): @BalderGullveig
Weitere Interviews mit und Kommentare und Artikel von @BalderGullveig finden Sie hier:
Vor dem Gipfel – Teil 5: Der EU-Notfalltrick im Ukraine Kontext. Die verborgenen Folgen für Demokratie und Haushalt. Artikel, 14. Dezember 2025.
Die Ukraine-Krise als Vehikel für föderale Transformation. Überlegungen zur Agenda der EU-Kommission. Artikel, 12. Dezember 2025.
Die demokratisch nicht legitimierte Machtverschiebung in der EU. Artikel, 8. Dezember 2025.
Update: Krisengespräch in Brüssel. Gemeinsame Haftung besiegelt. Artikel, 6. Dezember 2025.
Die EU und das Reparationsdarlehen an die Ukraine. Artikel, 4. Dezember 2025.
Die Scharia in Österreich oder die unrühmliche Rolle des ÖVP-Langzeitfunktionärs Juraczka. Kommentar, 19. August 2025.
Trump, Putin und die Ukraine. Der Alaska-Gipfel. Artikel, 14. August 2025.
Der verschenkte Richtersitz. Interview, 9. Juli 2025.
Von der Leyen und ihr ominöser „Plan für die Wiederaufrüstung Europas.“ Interview, 12.März 2025.
Das Migrationsabkommen mit Kenia – eine Einordnung. Kommentar, 15. September 2024.
USA. Eine Woche vor der Wahl. Interview, 28. Oktober 2024.
USA: TV-Duell Harris vs. Trump. Es bleibt spannend. Schnellanalyse, 11. September 2024.
Ein Wahlkompass – Prost, alte Volkspartei. Interview. 28. August 2024.
Ein Wahlkompass. Warum die ÖVP tendenziell benachteiligt wird. Interview, 25. August 2024.
USA. Robert F. Kennedy Jr. steigt aus. Was bedeutet das? Schnellanalyse, 22. August 2024.
Wir korrigieren den ehemaligen Nationalrat (Grüne) Harald Walser am 17. August 2024.
Joe Biden verzichtet. Wie geht es weiter? Schnellanalyse, 21. Juli 2024.
The candidacy of Joe Biden – it is all over now. Quickcheck, july 21st, 2024.
Die Kandidatur von Joe Biden. Es ist vorbei. Schnellanalyse, 6. Juli 2024.
Neueste Entwicklungen zur Präsidentschaftswahl in den USA. Interview, 21. Juni 2024.
Das Renaturierungsgesetz. Interview, 16. Juni 2024.
Die US-Präsidentschaftswahlen. Interview, 8. April 2024.
Die Werteunion – ein politischer Faktor in Deutschland? Interview, 22. Februar 2024.
Die AfD – ein Kandidat für ein Parteiverbot? Interview, 29. Februar 2024.
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The removal of „Reparation“ from the credit terminology seems like a significant rhetorical shift, and it’s interesting to see that analyzed so closely. I found some related discussion on historical uses of the term at https://tinyfun.io/game/death-soul, which offered another perspective.