Die Schnell-Analyse von Politikwissenschaftler @BalderGullveig.
Sonntag, 21.7.2024, 22:00 Uhr.
Biden tritt als Präsidentschaftskandidat zurück. Diese Meldung ging vor etwa einer Stunde um die Welt. Ganz überraschend kam das für viele politische Beobachter nicht. Nach seinem desaströsen Auftritt im TV-Duell gegen Donald Trump hatten sich mehr und mehr prominente Demokraten für einen Rückzug Bidens als Kandidat ausgesprochen. Die Speerspitze seiner Widersacher bildeten dabei Nancy Pelosi, die Grande Dame der Demokraten sowie der frühere Präsident, Barack Hussein Obama. Aber auch etwa 40 hochrangige Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses sprachen sich für eine Demission Bidens aus. Und – für einen US-Wahlkampf von entscheidender Bedeutung – auch viele Geldgeber und gerade auch linke Medienanstalten. Der Spendeneingang für das Kandidatenduo Biden/Harris ging seit dem TV-Duell um über 60% zurück. Eine Katastrophe angesichts der etwa noch benötigten 800 Millionen Euro bis zum Wahltag, die den bereits deutlich in Führung liegenden Republikaner Trump wohl weiter hätte enteilen lassen.
Insofern ist allenfalls der Zeitpunkt, nicht aber der Rücktritt selbst eine Überraschung. In genau vier Wochen findet der Parteitag der Demokraten statt, auf dem der Kandidat offiziell nominiert wird. Das republikanische Pendant ging ja gerade im wahrsten Sinne des Wortes über die Bühne und geriet – auch und gerade nach dem gescheiterten Attentat – zu einer umjubelten Krönungsmesse für Trump. Das erhöhte den Druck auf Biden zusätzlich.
Hinter den Kulissen wurden auch bereits Alternativen erarbeitet, Biden als Kandidat abzusetzen, auch wenn er wie nun klar ist, nicht selbst verzichtet hätte. Das ist ein sehr ungewöhnlicher Schritt in den USA, aber möglich. Die Rede ist von sogenannten blitz primaries, also,eine Art wiederholte Vorwahl, bei denen aber nur die Delegierten des Parteitages abstimmen. Das hat natürlich bei vielen Demokraten an der Basis für Unruhe, ja Entsetzen gesorgt, hatten doch in einem aufwendigen Prozess etwa 14 Millionen registrierte Wähler für Biden als Kandidat gestimmt. Das nun für obsolet zu erklären und die Entscheidung in die Hände einiger Hundert Funktionäre zu legen, erschien vielen undemokratisch. Aber es hätte den Weg eröffnet für aussichtsreiche Kandidaten der Parteielite. Zu denken ist dabei nicht in erster Linie an Hillary Clinton oder Michelle Obama, die oft als mögliche Nachfolger kolportiert wurden. Im Fokus stehen eher Gretchen Whitmer und Gavin Newsom.
Neben diesen umstrittenen Verfahren zum Austausch des Kandidaten, etwa 100 Tage vor der Wahl, kommen auch Besonderheiten der amerikanischen Gesetzgebung zu Wahlkampfgeldern bzw. deren Verwendung hinzu. Spenden, die für eine Person oder eine Personengruppe getätigt wurden, dürfen nicht auf andere Kandidaten übertragen werden. Konkret bedeutet dies, dass Spenden, die für das Kandidatenduo Biden/Harris eingegangen sind, nur von den beiden genutzt werden dürfen. Aktuell sind in dieser „persönlichen“ Schatulle etwa 240 Millionen Euro. Diese hätten etwa im Falle einer Kandidatur Whitmer / N.N. oder Newsom / N.N. zurückgezahlt oder eventuell auf eine Parteistiftung übertragen werden müssen, auf alle Fälle wären sie dem neuen Kandidatenduo nicht für Wahlkampfzwecke zur Verfügung gestanden.
Etwa ein Drittel der geschätzt benötigten Mittel wäre somit entfallen. Nun, aber nicht in einem Fall. Wenn nämlich bei den oben genannten oder jedem anderen Kandidatenpärchen N.N. für Kamala Harris steht, dann stehen diese 240 Millionen – oder was davon noch übrig ist, aber ein dreistelliger Millionenbetrag ist es auf alle Fälle – eben doch zur Verfügung. Viele hielten deshalb eine Kandidatur der jetzigen Vizepräsidentin für die gleiche Position für erwartbar, sozusagen aus finanziellen Erwägungen. Und einen zugkräftigen Kandidaten für notwendig, schließlich ist eine politische Partei nichts anderes als eine Machtmaschine, deren Zweck darin besteht, Ämter zu erobern und eigene Gestaltungsoptionen umzusetzen. Jedem war klar, dass das mit Biden nicht mehr möglich war.
Und jetzt kommt die eigentliche Überraschung des Tages. Denn Biden hat nicht nur seinen Verzicht auf die Kandidatur erklärt, sondern auch Kamala Harris als seine Nachfolgerin empfohlen. Das ist in den USA ein bedeutungsschwerer Vorgang, das Zauberwort lautet endorsement. Verfahrensseitig führt das dazu, dass Biden nun seine Wahlmänner entpflichtet, für ihn zu stimmen und gleichzeitig für ein Votum zugunsten von Harris bittet. Damit sind zwar die 240 Millionen Euro gerettet, aber der Weg für eine Kandidatur eines vielversprechenden Politstars für das Präsidentenamt ist verbaut.
Und Harris ist keine vielversprechende Kandidatin. Sie ist aus vielen Gründen noch unbeliebter als Biden, dazu zählen fachliche und angebliche moralische Defizite. Es gibt auch bereits Wahlumfragen, die ein Duell Trump vs. Harris bewerten. Diese entsprechen etwa den Werten Trump vs. Biden, was auch nicht überrascht. Es gelingt Harris nicht, Wähler von Trump abzuziehen, die Wahlchancen stehen damit für die Demokraten unverändert schlecht. Man kann deshalb getrost davon ausgehen, dass mit der Empfehlung Bidens zugunsten Harris die Frage der tatsächlichen Kandidatur noch nicht beendet ist. Die Machtmaschine fordert Siegchancen. Harris könnte zwar die „Frauenkarte“ spielen und zusätzlich als PoC Trump auf sensiblen Feldern attackieren, aber gewinnen kann sie nicht.
Sollte es Pelosi und Obama nicht gelingen, Harris nur zu einer abermaligen Kandidatur für das Vizepräsidentenamt zu bewegen, wird man die blitz primaries bemühen. Es bleibt spannend. Die Demokraten werden sich nun weiter selbst zerfleischen und nach dem Rückzug Bidens wird man sich fragen, wie es zu diesem strategischen Fiasko kommen konnte, an Biden festzuhalten, ohne einen potenziellen Nachfolger aufzubauen. Aussichtsreiche Kandidaten, die bisher gezögert haben, werden sich ins Spiel bringen, Künstler und andere Prominente für ihre bevorzugten Leute trommeln. Und Trump wird selig lächeln.
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Weitere Interviews und Kommentare zum Thema Präsidentschaftswahl in den USA mit @BalderGullveig finden Sie hier:
Die Kandidatur von Joe Biden. Es ist vorbei. Schnellanalyse, 6. Juli 2024:
Neueste Entwicklungen zur Präsidentschaftswahl in den USA. Interview, 21. Juni 2024
Die US-Präsidentschaftswahlen. Interview, 8. April 2024
Wow!
So eine umfassende Analyse und kompetente Erläuterung nur 3 Stunden nach Bekanntgabe von Bidens Rückzieher!
Ganz große Klasse!
KlarteXXt rulez 💪👍👏👏👏
Hoffentlich kommt ein Friedensstifter/in zum Zug, das würde die Welt dringend brauchen.
Trump verfolgt die Strategie des „grass roots movements“, insofern ist es ziemlich egal welchen Kandidaten die Demokraten ins Spiel bringen, es wird für sie sehr aufwändig werden die notwendigen Wahlfälschungen durchzubringen, vor allem weil die Wahl 2020 bereits unter schweren Verdacht liegen. Abgesehen von unzähligen Video- und Tonaufnahmen die „Ungereimtheiten“ aller deutlichst bestätigen.
Biden selbst sage ja, und ich zitiere wörtlich: „We have the biggest, most inclusive voter fraud organisation of the history of this country..“, insofern stehen also die Rekordzahlen, die Biden trotz enorm schleppendem Wahlkampf, erreicht haben will, bereits in einem untauglichen Kontext, die berühmten „4 a.m.“-votes kamen erschwerend hinzu, sowie weitere Ungereimtheiten, wie Wähler stimmen mit Geburtsjahren des 19. Jh. u.v.m.
Oft wird dem entgegen gehalten, dass man ja xy Gerichtsverfahren in den USA verloren hätte, im Sinne einer Argumentation, dass dies alles nicht stattgefunden hat. Wenn man aber einmal vorsichtig, von unserer Justiz auf die der USA schließt, merkt man recht schnell, wie sie das plausibel ausgehen kann, wenn bei uns selbst Kapitalverbrechen kaum oder gar nicht geahndet werden, wenn der Beklagte zu einer entsprechenden Gruppierung gehört….
Dies war ein sehr schöner Artikel, danke Balder und in diesem Sinne,
besten Grüße,
Bruce