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Bild von Gundula Vogel auf Pixabay.

Sven Hergovich, das Wissen und die Rechenkünste.

Die mißlungene Kampagne der SPÖ gegen die Bürgermeisterin von Moorbad Harbach.
Recherche und Kommentar von Birgit Medlitsch.

Gestern veröffentlichten Sven Hergovich und die SPÖ Niederösterreich ein Video, in welchem massiv gegen die Bürgermeisterin der Gemeinde Moorbad Harbach vorgegangen wurde. Dazu gab es dann auch noch eine Pressaussendung der SPÖ Niederösterreich sowie Beiträge auf den Social Media Plattformen Facebook und Twitter.

Das Video.

Quelle: Twitter-Account von Sven Hergovich, 7. September 2023

Der Text.

Ich habe das Video schnell transkribiert – man erfasst es besser, wenn man es liest.


Sven, was ist los in Moorbad Harbach?

In Moorbad Harbach hat die Bürgermeisterin variable Kredite noch im Oktober letzten Jahres abgeschlossen und damit eine Versiebenfachung des Schuldenstands ihrer Gemeinde verursacht. Das ist besonders bekannt deshalb, weil diese Bürgermeisterin gleichzeitig auch ÖVP Bundesratspräsidentin, also Spitzenfunktionärin der Volkspartei ist, also der Partei, die uns die ganze Zeit ausrichtet: alle, die variable Kredite abgeschlossen haben und jetzt unter mehr Kreditlast stöhnen, die sind eigentlich selber schuld und hätten nur mehr Finanzbildung benötigt. Meine Frage an die Volkspartei ist daher ganz simpel:
Gilt das, was sie sagen nur für Häuslbauer oder gilt das auch für Spitzenfunktionäre?


Die Fehler von Sven Hergovich.

1. ) Wenn sich etwas versiebenfacht, dann erhöht es sich um 600 Prozent und nicht um 700 Prozent. Der Titel oberhalb des Videos ist somit falsch, abgesehen davon, dass die Zahlen ohnehin geringer sind. Wer hat das errechnet?

2.) Die Bürgermeisterin von Moorbad Harbach, Frau Margit Göll, ist Bundesrätin und Vizepräsidentin des Bundesrates. Sie ist nicht Bundesratspräsidentin. Das ist Frau Mag.a Claudia Arpa. Das sollte man schon wissen. Und wenn man es schon nicht weiss – so eine kleine Recherche im Internet kann manchmal sehr nützlich sein.

3.) Es gibt keine ÖVP Bundesratspräsidentin. Das Amt des Bundesratspräsidenten hat mit der jeweiligen Partei nichts zu tun.

4.) Wenn jemand Vizepräsident des Bundesrates ist, dann ist das ein Amt und keine Funktion. Der Begriff „Spitzenfunktionär der Volkspartei“ ergibt sich aus diesem Amt NICHT.

Die fehlende Logik von Sven Hergovich.

Soweit wir wissen, hat sich die Bürgermeisterin von Moorbad Harbach NICHT über die Kreditlast beschwert. Das tun jene, die sich für variabel verzinste Kredite entschieden haben, als die Zinsen niedrig waren, weil sie gehofft haben, dass die Zinsen nicht steigen.

Wenn Kreditzinsen hoch sind, dann ist es durchaus üblich, dass man variabel verzinste Kredite abschließt, weil man auf fallende Zinsen hofft. Das sollte Herr Hergovich als Ökonom eigentlich wissen.

Die Presseaussendung der SPÖ NÖ.

In der Presseaussendung vom 7. September 2023 heisst es unter anderem:


Quelle: Presseaussendung der SPÖ NÖ vom 7. September 2023 auf ots.at

Die Fakten.

Moorbad Harbach ist tatsächlich eine 100 %-ige ÖVP-Gemeinde, und zwar deshalb, weil bei der letzten Gemeinderatswahl 2020 keine andere Partei kandidiert hat. Das war übrigens schon bei der Gemeinderatswahl 2015 so, dass ausschließlich die ÖVP antrat. Und das ist nicht nur in Moorbad Harbach so, auch in der Niederösterreichischen Gemeinde Aderklaa ist seit 2015 nur die ÖVP zur Gemeinderatswahl angetreten.
Man sollte hier schon die Frage stellen, warum die SPÖ bei den letzten beiden Gemeinderatswahlen nicht kandidiert hat.

Wie bereits weiter oben erwähnt, ist es durchaus üblich in Zeiten von hohen Kreditzinsen einen variabel verzinsten Kredit zu wählen, weil man auf fallende Zinsen hofft.

Es wird in der Presseaussendung so dargestellt, als würden die Bürger der Gemeinde Moorbad Harbach persönlich die Schulden decken müssen. Das wäre mir jetzt neu. Es sollte eigentlich bekannt sein, dass das Gemeindebudget, aus welchem die Kredite dann bedient werden, vom Steuerzahler, also vom Bund, finanziert wird und nicht von den jeweiligen Gemeindebürgern. Die Gemeinde hat nämlich keine Steuerhoheit.

Das kann man sehr detailliert auf der Website des Gemeindebundes nachlesen, wo unter anderem steht: „Gemäß Finanzverfassung und Finanzausgleich hebt der Bund in verwaltungsökonomisch sinnvoller Weise auch für die Länder und Gemeinden sogenannte gemeinschaftliche Bundesabgaben ein. Die betragsmäßig bedeutendsten davon sind die Umsatzsteuer und die Lohnsteuer mit einem Aufkommen von aktuell rund 29 bzw. 27 Milliarden Euro. Gemäß dem aktuellen Finanzausgleichsgesetz (FAG 2017) werden daraus die Ertragsanteile des Bundes, der Länder und der Gemeinden errechnet.“

Schulden für Investitionen in Infrastruktur.

Insgesamt wurden neue Kredite in der Höhe von 2.998.000 Euro abgeschlossen. Wofür soll das Geld verwendet werden? Hier ein Auszug aus dem Gemeinderatsprotokoll der Sitzung des Gemeinderates von Moorbad-Harbach vom 3.10.2022, in welchem alles sehr ausführlich dargelegt wird. Was nämlich von Sven Hergovich und der SPÖ NÖ sehr gerne nicht erwähnt wird, ist, was mit den Krediten finanziert werden soll. 1.953.600 Euro, also 2/3 der Kredite, werden etwa für die Sanierung der Volksschule und den Turnsaalzubau verwendet.


Quelle: Gemeinderatsprotokoll vom 3.10.2022, Website der Gemeinde Moorbad Haarbach

Die SPÖ kann nicht rechnen.

Und wieder erbringt die SPÖ einen Beweis dafür, dass Rechnen nicht so ganz ihr Ding ist. Denn heute veröffentlicht die SPÖ Niederösterreich etwas auf Twitter, das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.


Bild: Screenshot Twitter-Account der SPÖ Niederösterreich am 8. September 2023.

Insgesamt belaufen sich die Schulden laut Gemeinderatsprotokoll vom 7.12.2022 nun auf 3.553.000 Euro. Davon wurden 2.998.000 mit Beschluss vom 3.10.2022 an neuen Krediten abgeschlossen. Das heisst, dass vorher 550.000 Euro fremdfinanziert waren. Die Kreditsumme jetzt 6,4x so hoch ist, sich also um 540 % erhöht hat und nicht um 700%, wie Sven Hergovich und die SPÖ Niederösterreich behaupten. Ich persönlich erwarte mir eigentlich von einem Ökonomen schon, dass er korrekt rechnet.

Die Gemeinde Moorbad Harbach.

Im Zuge meiner Recherchen habe ich die Gemeinderatsprotokolle seit Sommer 2022 eingehend studiert, und ich habe festgestellt, dass in den Protokollen eine Transparenz herrscht, wie ich sie von vielen anderen Gemeinden nicht kenne.

In den Protokollen werden unter anderem Kaufverträge von Grundstücken, die die Gemeinde verkauft, 1:1 veröffentlicht, es werden nicht nur die wichtigsten Kennzahlen von Kreditverträgen öffentlich gemacht, sondern die Verträge selbst.

Also – ganz ehrlich: wenn das in meiner Heimatgemeinde (74,06 % SPÖ bei der GR-Wahl 2020) so gemacht werden würde, wäre ich sehr, sehr froh.

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