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Bild: Parlamentsdirektion / Thomas Topf.

Gewessler und die 2 Millionen.

Ist das Unternehmen „Unverschwendet GmbH“ wirklich so liquide, dass man es der erfahrenen Tafel vorzieht?
Ein Kommentar von Birgit Medlitsch.

Wir alle kennen die Tafel. Eine gemeinnützige Organisation, die sich seit Jahren mit vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern darum bemüht Lebensmittel für Menschen, die in Armut leben und bedürftig sind, kostenlos zur Verfügung zu stellen. Diese Lebensmittel werden aus den Supermärkten und von Landwirten „gerettet“, bevor sie vernichtet werden. Auch ich habe früher wöchentlich 50-100 kg Erdäpfel aus meinem Ab-Hof-Verkauf der Tafel gespendet. Es ist eine Win-Win-Situation für die Landwirte, die Supermärkte und vor allem für bedürftige Menschen.

Im Jahr 2016 ist die Idee von „Unverschwendet“ geboren worden. Diese verstehen sich als Lebensmittelretter und verarbeiten Obst und Gemüse, das vom Handel aus verschiedenen Gründen nicht in den Verkauf übernommen wird, zu Fruchtaufstrichen, Chutneys und anderen Produkten, die dann online über den eigenen Webshop, im Geschäft am Schwendermarkt oder auch von anderen Händlern verkauft werden.

Die Produkte sind nicht wirklich billig. So kostet ein Himbeer-Fruchtaufstrich (konventionell, nicht bio) im 130 Gramm Glas 5,90 Euro. Zum Vergleich: ein Fruchtaufstrich von Staud’s im 200 Gramm Glas kostet 4,99 Euro, dieser ist bio, und eine Konfitüre von Darbo im 220 Gramm Glas kostet 2,79 Euro. Dies zur besseren Einordnung der Preisgestaltung.

Warum etwas, was vor der Verschwendung gerettet wird, und wahrscheinlich wenig bis gar nichts im Einkauf kostet, also die Früchte, dann um einen derart stolzen Preis angeboten wird, erschließt sich mir nicht.

Nun geht es der Tafel vor allem um Hilfe für bedürftige Menschen. Das Unternehmen Unverschwendet GmbH hingegen möchte der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken und gleichzeitig finanziell davon profitieren.

Zu Beginn meiner Rercherchen habe ich die Webseite von „Unverschwendet“ und die entsprechenden Presseberichte nach Informationen über das Unternehmen durchforstet. Irgendwann hab ich mich dann gefragt: „Wo ist denn da die Kuchl?“ Tja. Selbst haben sie Früchte und Gemüse nur zu Beginn ihres Unternehmertums verarbeitet. Mittlerweile hat man das ausgelagert, an im Verarbeitungsbereich spezialisierte Unternehmen wie Zotter, Ramser-Wolf oder Gölles, um nur einige Beispiele zu nennen. Und man ist gewachsen. Man hat nunmehr nicht nur ein Unternehmen, sondern drei. Wozu das gut sein soll – das fragen sich mehrere Personen.

Nun wurde im Mai 2023 vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (Bundesministerin Leonore Gewessler) über die Plattform ankö ein Auftrag öffentlich ausgeschrieben. Darum ging es um Einrichtung und Betrieb einer bundesweiten Lebensmitteldrehscheibe zur Weitergabe von überschüssigen Lebensmitteln. In einem zweistufigen Bewerbungsverfahren, mit drei Bewerbern in der ersten Phase und in der 2. Phase nur noch die Tafel und Unverschwendet, hat man sich dann seitens des Ministeriums für die Unverschwendet GmbH entschieden.

Innerhalb von 2 Jahren sollen 2 Millionen Euro an die Unverschwendet GmbH für diese Aufgabe fließen. Nun wurden einige Gründe genannt, warum die Entscheidung gegen die Tafel gefallen wäre, unter anderem hat man das mit der finanziellen Situation der Bewerber begründet. Die Tafel würde vielleicht für den weiteren Betrieb nach diesen zwei Jahren nicht ausreichend über Liquidität verfügen, da sie rein aus Spenden finanziert wird. Wir haben bei der Tafel nachgefragt, und diese sieht hier kein Problem der weiteren Finanzierung, da sich diese im laufenden Betrieb in Bezug auf die Höhe der Kosten in Grenzen hält.

Unsere Recherchen über die Unternehmen rund um die Unverschwendet GmbH haben uns dann doch sehr staunen lassen.

Heute morgen hatte ich ja schon auf X (vormals Twitter) thematisiert, dass mir diese Holding-Konstruktion mit drei GmbHs doch reichlich komplex erscheint und sich nicht aus der operativen Geschäftstätigkeit selbst ergibt. Da die drei Gesellschaften zudem alle jeweils die gleichen beiden Gesellschafter aufweisen, entfällt auch ein sonst üblicher Grund für eine gesellschaftsrechtliche Entflechtung: nämlich unterschiedliche Teilhaber.

RETTENSWERT gerettete Lebensmittel GmbH.

Jetzt bin ich einer möglichen Antwort vielleicht einen Schritt näher gekommen, warum es den beiden Gesellschaftern, den Geschwistern Cornelia und Andreas Diesenreiter, ratsam erschienen sein mag, im April 2022 die Rettenswert gerettete Lebensmittel GmbH zu gründen und unter die fast zeitgleich gegründete Gutes aus Gerettetem Beteiligungs- und Management GmbH zu stellen.

Betrachten wir zunächst einmal die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Rettenswert gerettete Lebensmittel GmbH, dargestellt im Jahresabschluss vom 1.7.2022 bis 30.6.2023, eingereicht am 28.3.2024.

Die Rettenswert gerettete Lebensmittel GmbH weist ein Anlagevermögen von 12.619,95 Euro aus. Es handelt sich also um eine sehr übersichtliche Gesellschaft. Finanzanlagen gibt es nicht, aber einen Kassenbestand von immerhin 398,84. Doch kommen wir nun zu den wirklich spannenden Zahlen.

Die Gesellschaft weist – etwa ein Jahr nach ihrer Gründung beziehungsweise vermutlichen Geschäftsaufnahme – Verbindlichkeiten von 464.412,69 Euro und ein negatives Eigenkapital von 312.483,13 Euro aus. Etwas abgefedert wird dies durch nicht näher bezeichnete Forderungen von 135.767,28 Euro. Unabhängig von der Frage, wie man in der kurzen Zeit ihres Bestehens eine solche Unternehmensschieflage herbeimanagen kann, verfügt diese GmbH über alles andere als eine hohe Bonität. Sie ist vielmehr völlig überschuldet und vermutlich ein Kandidat für einen Unternehmenskonkurs. Als Geschäftsführer einer derart desolaten GmbH würde ich mich fragen, ob ich mich nicht längst einer Insolvenzverschleppung schuldig gemacht hätte.

Unverschwendet GmbH.

Betrachten wir nun die Unverschwendet GmbH. Das ist die Gesellschaft, die bei der in Rede stehenden Ausschreibung wegen hoher Bonität den Vorzug gegenüber der Tafel erhielt. Und gehen wir hier gleich in medias res.

Die Gesellschaft weist 31.470,97 Anlagevermögen aus und 305.040,00 Euro Umlaufvermögen, ein Großteil hiervon ist als Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie unfertige Erzeugnisse ausgewiesen. Der Unternehmensgegenstand dieser Gesellschaft legt nahe, dass es sich dabei um verderbliche Waren handelt, die eine längerfristige Kapitalisierbarkeit eher nicht nahelegen. Aber es kommt noch schlimmer.

Die Bankverbindlichkeiten betragen 667.688,07 Euro. Besonders dramatisch ist dieser Wert auch deshalb, weil gegenüber dem Vorjahresgeschäftsjahr ein Anstieg um mehr als 200.000 Euro angefallen ist und etwa 230.000 Euro eine Restlaufzeit von unter einem Jahr aufweisen. Da ist also reichlich und vor allen Dingen schnell Liquidität erforderlich. Banken verstehen da keinen Spaß.

Auch diese Gesellschaft wäre somit wirtschaftlich wohl am Ende, wenn nicht, ja wenn nicht Gottseidank eine Forderung aufgetaucht wäre, in Höhe von 439.965,87 Euro. Das hat natürlich die Zahlen sehr aufgehübscht und einen ansonsten wohl allfälligen Konkursantrag obsolet gemacht. Aber gegen wen richtet sich diese Forderung? Von wen bekommt die Unverschwendet so viel Geld? Nun, von einem „verbundenem“ Unternehmen, so die offizielle Ausweisung. Verbundene Unternehmen hat diese GmbH zwei. Die Holding und die Rettenswert. Genau, das ist die GmbH, die Verbindlichkeiten von 464.412,69 Euro ausweist. Ein Schelm, wer da Böses dabei denkt.

Wo ist die angebliche Bonität?

Nun, natürlich gilt die Unschuldsvermutung, aber die Zahlen legen eindeutig nahe, dass dieses Firmenkonstrukt wirtschaftlich mindestens marode ist. Von einer hohen Bonität kann nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass die Rettungswert gerettete Lebensmittel GmbH deshalb gegründet wurde, um Holding-intern Positionsverschiebungen, vulgo Bilanzkosmetik für die Unverschwendet GmbH betreiben zu können.

Wie meine Recherchen ergeben haben, wurde bereits im Mai 2023 im Rahmen des Lebensmittelgipfel gegen die Teuerung Mittel für eine Plattform dieser Art in Aussicht gestellt. Da musste die Unverschwendet GmbH zackig saniert werden. Ohne die Forderung in Höhe von 439.965,87 Euro gegenüber dem verbundenen Unternehmen wären ja die Bilanzkennzahlen um eben diesen Betrag schlechter ausgefallen und niemand, aber wirklich niemand könnte dann von einem Unternehmen sprechen, dem auch nur ansatzweise eine hohe Bonität zueigen wäre.

Falls Sie in diesem Kommentar Fehler gefunden haben, bitte ich um ein kurzes E-Mail an redaktion@klartexxt.com. Dankeschön.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Reinhard Bineder

    Hallo, sehr gut beschrieben. Aber wäre da nicht eine Meldung an die FA fällig?
    Selbst ein Steuerberater, falls vorhanden, hätte Pflichten. Die Gefahr, dass wider Erwarten der Steuerzahler zum Handkuss kommt, liegt nicht weit entfernt.

  2. Roman Stangl

    Das ist ja eine Gesellschaftskonstruktion wie sie der Benko sich ausgedacht haben könnte, ob der Zweck letztendlich final der Gleiche ist?

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