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Das Renaturierungsgesetz polarisiert Österreich.

Warum eigentlich?
Grundsätzliche Überlegungen von Bio-Bäuerin Birgit Medlitsch.

Das Renaturierungsgesetz, die Vorgeschichte, die Vorgangsweise von Leonore Gewessler und was dieses Gesetz für die Zukunft bedeutet, beschäftigen mich intensiv. Ich habe mich zu einigen Aspekten mit Politikwissenschaftler @BalderGullveig ausgetauscht und darf mich bei ihm für seine Expertise und Impulse sehr herzlich bedanken.

Viele Journalisten, grüne Parteifunktionäre und linke NGO-Aktivisten stellen sich jubelnd hinter die mutmaßlich rechtsverstoßende Ministerin Gewessler und preisen deren (von manchen Juristen und Politikern als verfassungswidrig bezeichnete) Zustimmung zum Renaturierungsgesetz als einsame Heldentat.
Und so selbstverständlich wie sie parteipolitisch argumentieren – wobei argumentieren kann man gar nicht sagen – polemisieren, unterstellen sie den Kritikern dieses Gesetzes parteitaktische Voreingenommenheit und Befangenheit. Uns Bauern zudem, dass wir nur aus eigensüchtigen monetären Interessen gegen dieses Gesetz sind und im übrigen mit dieser Materie sowieso überfordert wären.
Dies alles trifft auf Bauern nicht zu. Ich möchte daher aufzeigen, warum wir gegen dieses Renaturierungsgesetz sind. Ich sage das als Bio-Bäuerin, und weil ich eine der wenigen bin, die dieses Gesetz in den unterschiedlichen Einbringungsversionen überhaupt gelesen hat.

EU versus Nationalstaaten.

Generell ist erst mal festzuhalten, dass sich bei der Frage der Sinnhaftigkeit eines solchen Gesetzes auf EU-Ebene – unabhängig von den tatsächlichen Regelungsinhalten – zwei Gedankenschulen gegenüber stehen. Die eine steht für eine zentralistische Vorgabe möglichst detaillerter Vorgaben für alle 27 Mitgliedsstaaten, die zudem verbindlich sein müssen und deren Nichteinhaltung pönalisiert werden muss. Letzteres durch europäische Rechtsnormen, die nationales Recht überlagern und dieses somit aushebeln. Und natürlich durch die (in-)offizielle Kopplung von EU-Mitteln an die Folgebereitschaft der Mitgliedsstaaten. Ein solches Denken ist in linken Kreisen sehr verbreitet und gilt als der Inbegriff eines effizienten Politikstils.

Dem gegenüber steht die zweite Denkschule, die eine solche zentralistische Vorgabe eher als ideologische Gleichschaltung betrachtet und auch im Hinblick auf die tatsächliche Zielerreichung solcher an eine Planwirtschaft erinnernden Detailpläne nicht überzeugt ist. Dies sind oftmals Anhänger konservativer Parteien, Verfechter des Subsidiaritätsprinzips, und die glauben eher, dass der Natur geholfen werden kann, wenn Experten vor Ort – oder sagen wir in einer Region – sinnvolle Projekte entwickeln und diese umsetzen.
Das hat sich in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten durchaus bewährt. So würden die Anhänger dieser zweiten Denkschule gerne weiter verfahren und Naturschutzvorhaben umsetzen. Denn: dass wir das nicht wollen, ist nur eine böswillige Unterstellung derer, die gerne über unsere Flächen und Köpfe hinweg entscheiden möchten, was zu tun ist. Und dies oftmals aus Motiven heraus, die nicht transparent sind und den Menschen Ärger und Sorgen bereiten.

Einer ist nicht alle.

Besonders interessant sind natürlich Personen, die Landwirte sind und dennoch für dieses Gesetz plädieren. So wie jener Bio-Landwirt, der aktuell medial stark präsent ist, und den so mancher Grüne nun gerne benennt und hofft mit dieser Vorgangsweise auf diversen medialen Kanälen positive Stimmung für das Gesetz und für Leonore Gewessler zu verbreiten. Da frage ich mich, ist er wirklich ein Anhänger der ersten Denkschule, oder denkt er nicht darüber nach und ist halt „nur“ ein Grüner, oder wird er einfach instrumentalisiert von den Grünen, die ihn gerne pars pro toto für alle Bauern hinstellen wollen. Tja, denke ich: guter Versuch. Aber so nicht, werte Frau Gewessler.

Das erinnert mich alles an so einige Interviews des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks (ÖRR) in Deutschland, wo angeblich zufällig vorbeikommende Passanten zum Thema X befragt werden, und sich dann später herausstellt, ach das war ja eine bei den Grünen oder bei den Sozialisten engagierte Person oder ein Interessenvertreter einer bestimmten Institution oder einer dieser verbissen agierenden NGOs.

Autorität versus Entscheidungsfreiheit.

Ich war schon immer ein Freigeist. Autoritätsgläubigkeit ging bis zu meinen Eltern aber nicht weiter. Autoritäten sind interessant, aber man muss nicht alles glauben und man muss auch keine Verbeugung machen. Und wenn ich Ideen oder Forderungen von grünen „Autoritäten“ oder grünen Agitatoren vernehme, deren Lebensgeschichten oftmals ein Engagement im grünen NGO-Bereich beinhalten, dann werde ich ohnehin sofort stutzig und hinterfrage, lese nach und verlange nach entsprechenden Belegen. „Wo steht das?“ ist eine meiner beliebtesten Fragen, gefolgt von „Warum/wozu“ und neuerdings „Cui bono? (Wem hilft es?)“, „Wer zahlt’s?“ und „Wer verdient daran?“

Nun habe ich die verschiedenen Versionen dieses Renaturierungsgesetzes gelesen, und habe noch sehr viele Fragen. Inwieweit ist denn das alles, was umzusetzen ist, evaluiert? Und da meine ich nicht die angeblich positiven Folgen für die Umwelt, sondern die Folgen und Auswirkungen auf alles andere.

Ich möchte also gerne wissen, was die Folgen und Auswirkungen eines Gesetzes sind und was das kostet und wer das bezahlt, bevor ich einem Gesetz zustimmen kann. Ist es nicht komisch, dass die Linken zustimmen können, ohne das alles zu wissen? Ob es denen vielleicht gar nicht um die Natur geht, sondern um etwas ganz anderes? Ich will ja gar nicht sagen, dass das etwas Sinistres ist. Aber wissen würde ich es schon gerne wollen.

Folgen, Auswirkungen und Kosten.

Wobei eine Antwort klar ist: wir müssen das bezahlen. Und das nicht nur über unsere Steuern, sondern auch über höhere Preise. Und da handelt es sich nicht nur um Preise für landwirtschaftliche Produkte. Das geht viel weiter, nämlich in Produktionsketten hinein. Und wir werden das nicht nur im Supermarkt merken, sondern auch wenn wir Möbel kaufen oder ein Haus bauen oder renovieren, um nur einige Beispiele zu nennen. Am Ende zahlt es nämlich immer der, der kauft. Der Konsument.

Es wäre sehr hilfreich und fair, wenn man, bevor man zum Beispiel eine Umfrage unter 1.000 Österreichern macht (so wie kürzlich Market im Auftrag des WWF), die Befragten vorher darüber informiert. Denn: um entscheiden zu können, ob ich ein Gesetz zur Renaturierung oder die Renaturierung selbst gut finde oder nicht, benötige ich schon mehr als eine No-Na-Net-Frage als Entscheidungsgrundlage.

Ich bin Biobäuerin. Bei mir ist die Welt „in Ordnung“. Rund um mein Gewächshaus für die Jungpflanzenanzucht finde ich nicht nur massenweise Puppen der Gottesanbeterin, sondern auch diese selbst. Ich lebe in, mit und von der Natur. So wie alle anderen Bauern auch. Und ich spreche hier nicht nur für Bio-Bauern, sondern auch und sogar explizit von jenen, die konventionelle Landwirtschaft betreiben. Beides ist wichtig und wird von mir gleichermaßen geschätzt.

Denn da gibt es Menschen, die ihr ganzes Leben nach der Natur ausrichten.
Sie dreschen bei 40 Grad das Korn und bringen bei nicht weniger Hitze das Heu ein.
Sie richten ihr Leben nach den Bedürfnissen der Tiere, die bei ihnen am Hof leben, aus.
Sie kennen keinen Feierabend, kein Wochenende und keine Feiertage.
Die Natur bestimmt ihr Leben.
Diese Menschen nennt man Bauern.

Und ich bin nicht nur ein politisch denkender Mensch, sondern schätze die Natur über alles. Oft muss ich zusehen, wie Maulwürfe und andere Tiere sich an den Früchten meiner Aussaat genüsslich tun. Das kostet mich zusätzliche Arbeit, Ernteeinbußen und damit auch Geld. Aber niemals käme ich auf die Idee, diese Geschöpfe zu vergiften, zu töten. Naturschutz muss man eben auch leben, nicht nur vorschützen. Aber wenn man uns Bauern quasi durch die Hintertür enteignen will, unsere Nahrungsmittelproduktion regulieren und kontrollieren will, den Konsumenten, und das sind wir alle, hintenrum diktieren will, was sie essen sollen und dürfen, ja, dann ist dieses Gesetz vermutlich ein gutes Gesetz.

Ich möchte mich nochmals bei Politikwissenschaftler @BalderGullveig bedanken. Der Austausch mit ihm ist immer wieder ein großes Erlebnis, wertvoll und sehr bereichernd.


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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. C. Schwenniger

    Kann nur DANKE, DANKE, DANKE sagen!

    Es wäre wichtig, diesen brillanten Text den Weltuntergangssektierern ins Stammbuch zu schreiben.

    Es ist ja an Absurdität schwer zu überbieten, wenn Gewessler und Co, also diese zukunftsunfitten urbanen Christkindln, die vermutlich ein Gänseblümchen nicht von einer Margerite unterscheiden können, glauben, die Natur (die sie nicht kennen, geschweige denn verstehen) retten zu wollen.

    Die Macheloikes dieser Genies sind das Letzte, dessen die Natur bedarf!

    Danke! 👍👏❤️

  2. Hans H.

    Meine Hochachtung hast du, für das hier Geschriebene,. und für die Arbeit und das Herzblut das viele Bauern und Bäuerinnen in ihre Berufung stecken. damit wir eure Produkte jeden Tag in der guten Qualität und ausreichender Menge auf den Tisch bekommen.
    Dies Ganze funktioniert nur mit der Natur und nicht gegen sie. Ich kann nicht verstehen, dass wir uns von ein paar Ideologen tyrannisieren lassen, und es damit einem ganzen Berufsstand noch schwerer machen.

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