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Bild von Ralph auf pixabay.

Vollkasko für „uns’re Leut“.

Oder: Sven Hergovich und seine Häuslbauer.

Seit Sven Hergovich, Landesrat und Obmann der SPÖ NÖ, gedroht hat, sich die Hand abzuhacken, verfolge ich seine Forderungen und sonstigen Äußerungen mit großem Interesse.

So habe ich mich auch mit seinen aktuellen Forderungen nach einem Zinspreisdeckel für „Häuslbauer“, wie er die Menschen, die sich ein Eigenheim schaffen (möchten), liebevoll bezeichnet, beschäftigt.

Seit ca. 10. August macht sich Sven Hergovich für einen Zinspreisdeckel für „Häuslbauer“ stark. Ein Artikel in der Kronen Zeitung am 9.8.2023 macht den Anfang, dann folgen viele Beiträge von ihm auf den Social Media-Kanälen Facebook und Twitter.

Was genau sind für Sven Hergovich „Häuslbauer“?

Abgesehen davon, dass ich diesen Begriff und die Ausdrucksweise als sehr unschön empfinde: Im Zusammenhang mit steigenden Kreditzinsen gibt es ja nicht nur Häuslbauer. Diese Steigerung betrifft ja auch Menschen, die eine Wohnung oder ein Haus gekauft haben, und solche, die eine Wohnung oder ein Haus renovieren.

Und es trifft auch noch andere Personengruppen.

Auch Unternehmer und landwirtschaftliche Betriebe, also Bauern, haben sich mitunter einst für variable Zinsen entschieden. Wenn man einen neuen Stall, eine neue Halle oder neue Produktionsstätte baut, geht es auch nicht um 300.000 Euro, da geht es um weit mehr. Von diesem Teil der Erwerbstätigen spricht Hergovich nicht. Aber vielleicht meint er ja, dass es bei dieser Gruppe von Kreditnehmern in Ordnung wäre, wenn sie jetzt mit höheren Zinsen und Kreditraten konfrontiert werden.

Steigende Zinsen – höhere Kreditraten.

Steigende Zinsen bei Krediten sind für alle, die sich für variable Zinsen entschieden haben, unangenehm. Man hat ja nicht damit gerechnet, oder besser: man wollte nicht damit rechnen. Nur – der Fall von steigenden Zinsen kann natürlich eintreten. Und man muss die Gefahr schon sehen, wenn man einen Kreditvertrag mit variablen Zinsen unterzeichnet.

Von niedrigen Zinsen profitiert.

Wer sich für einen variablen Zinssatz entscheidet, wenn die Zinsen gerade niedrig sind, profitiert zumindest am Beginn von diesem niedrigen Zinssatz. Entscheidet man sich hingegen zum gleichen Zeitpunkt, wenn die Zinsen grundsätzlich niedrig sind, für einen fixen Zinssatz, dann hat man am Beginn einen höheren Zinssatz als jene, die sich für einen variablen Zinssatz entschieden haben. Es gibt aber auch den Fall, dass man sich bewußt für einen variablen Zinssatz entscheidet, wenn die Zinsen gerade hoch sind, und zwar dann, wenn man darauf hofft, dass sie irgendwann wieder fallen werden, und man dann später davon profitieren kann.

Die Arbeiterkammer Niederösterreich (!) erklärt das sehr gut.

Auf der Webseite der AK NÖ liest man:

Variable Zinsen: Variable Zinsen werden während der Laufzeit entsprechend einer im Vertrag vereinbarten Formel automatisch angepasst – sowohl nach oben als auch nach unten. Variable Zinsen sind günstiger. Aber wenn sie steigen, steigt auch die Rate. Das birgt das Risiko, dass die monatlichen Kosten zu hoch werden.“

Fixe Zinsen: Fixe Zinsen bedeuten Planungs­sicherheit. Die Höhe der monatlichen Raten bleibt für den vereinbarten Zeitraum fix. Je länger der gewünschte Zeitraum mit einem fixen Zinssatz ist, desto höher ist der Zinssatz.“

Tipp zur Risikominimierung.

Um das Risiko zu minimieren, rät die NÖ Arbeiterkammer: „Auch eine Kombination aus einem niedrigeren variablen Zinssatz mit der Sicherheit eines Fixzinssatzes durch die Teilung des Kreditvolumens auf 2 Kreditverträge kann eine Option sein“.

Sven Hergovich spricht von 96% mit variablem Zinssatz.

Bildquelle: Screenshot Tweet von Sven Hergovich am 14. August 2023.

Das kann ich so nicht nachvollziehen

An der untenstehenden Grafik sehen wir deutlich, dass dies nicht stimmen kann.

Laut einer Information auf den Webseiten von Infina fällt der Anteil der privaten Wohnbaukrediten mit variablem Zinssatz seit 2014. Im Jahr 2022 lag er bei 38,4 Prozent. Das heisst: von allen privaten Wohnbaukrediten, die im Jahr 2022 neu abgeschlossen wurden, sind 38,4 Prozent variabel verzinst und 61,6 Prozent fix verzinst.

Der Leitzins steigt. Ändert sich etwas?

Sehen wir uns die vier Quartale seit der Leitzins-Erhöhung an.
Im 2. Quartal 2022, als der EZB Leitzins noch bei 0% lag, wurden 33,4 % der privaten Wohnbaufinanzierungen mit variabler Verzinsung abgeschlossen, 66,6 % mit fixer Verzinsung. Dann stieg der EZB Leitzins und es wurden bei den neuen privaten Wohnbaukrediten mehrheitlich solche mit variabler Verzinsung abgeschlossen. Im 1. Quartal 2023 wurden 57,5 % aller neuen Verträge mit variabler Verzinsung und 42,5 % mit fixer Verzinsung. Das kann man so interpretieren, dass jene mit variabler Verzinsung auf sinkende Zinsen hoffen.

Sven Hergovich ist Landesrat für Baurecht in Niederösterreich.

Sven Hergovich fordert einen Zinspreisdeckel von 3% für Kredite bis 300.000 Euro. Man kann das natürlich fordern. Und wenn man gut informiert ist, weiss man, dass viele Bundesländer speziell im Bereich des Wohnbaus und der Sanierung Zuschüsse und Förderungen bei Krediten anbieten. Hier zum Beispiel finden Sie die viele Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung durch das Land Niederösterreich. Die sollte man als NÖ Landesrat für Baurecht kennen, eigentlich auf Geheiß auswendig aufzählen können. Es gibt Berater in Banken und Wohnbau-Finanzexperten, die ratschen das runter wie Volksschüler das 1×1 und haben auch gleich alle notwendigen Formulare zur Hand.

Auf der Seite des Landes Niederösterreich liest man unter anderem: „Die Eigenheimförderung ist ein Darlehen des Landes Niederösterreich mit einem garantierten Zinssatz von 1 % auf die gesamte Laufzeit, welche wahlweise 27,5 ODER 34,5 Jahre beträgt.“

Auch anderen Bundesländern bieten finanzielle Unterstützung im Bereich der Wohnraumschaffung und -sanierung an.

Man kann fordern.

Und die SPÖ ist in den letzten Jahren mit vielen Forderungen aufgefallen. Forderungen, für deren Erfüllung andere zur Kasse gebeten werden. Forderungen, um deren Umsetzung sich dann andere kümmern sollen. Man kann aber auch ganz anders vorgehen. Man kann den Menschen (auf)zeigen, welche Möglichkeiten sie haben. Welche Unterstützungen es ohnehin bereits gibt, von den Bundesländern zum Beispiel. Um das zu tun, muss man diese Unterstützungsmöglichkeiten natürlich kennen.

Und zu den Krediten, den Zinsen und die Steigerungen für „Alt“-Kredite mit variablen Zinsen darf ich anmerken:

Man kann sich entscheiden.

Menschen, die volljährig sind, die wahlberechtigt sind, die z.B. verantwortlich sind für ihre Kinder, denen ist es durchaus zumutbar, dass sie Risiken abwiegen und entsprechend entscheiden können.

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