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Die Überforderung.

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Oder: der Umgang mit Wissen, Können, Expertise, Stärke, Optimierung, Forschungs- und Entwicklungsdrang.

Vor kurzem sagt mein Mann zu mir „Du überforderst alle.“

Zuerst war ich etwas sprachlos. Das musste ich erst einmal einordnen. „Was ist los? Wie meinst Du das?“

„Ja, wenn Du nachfragst oder etwas weisst, was sie nicht wissen, oder wenn du jemanden korrigierst, dann sind die alle überfordert.“

Pfff. Wie jetzt? Wenn ich etwas (besser) weiss, sind andere überfordert?

„Ja, die halten das alle nicht aus. Die können damit nicht umgehen.“
„Ich weiss nicht, wen Du mit „alle“ meinst. Kann sein, dass Dein Umfeld überfordert ist, meines nicht.“

(Anmerkung: da wir erst in höherem Alter zueinander gefunden haben, haben wir jeder einen eigenen Freundes- und Bekanntenkreis ohne Schnittmenge und natürlich einen neuen gemeinsamen Freundeskreis durch unsere gemeinsamen Aktivitäten.)

Mein Umfeld.

Mein Umfeld ist sehr breit und weit gestreut. Dadurch, dass ich sehr viel verschiedene Jobs hatte, selbständig war, viele Kongresse besucht und studiert habe, kenne ich sehr viele Menschen aus ganz verschiedenen Lebenswelten und mit verschiedenen Expertisen. Mein Umfeld ist nicht dort, wo ich aktuell wohne, es ist auch nicht auf Österreich beschränkt. Meine Kontakte reichen weit in die Welt hinaus und enden auch nicht in Europa. Ich habe mich immer bemüht, mit allen Menschen, mit denen ich früher engen Kontakt hatte, auch z.B. nach einem Jobwechsel, in Kontakt zu bleiben. Auch mit meinen früheren Studienkollegen und einem Teil meiner Professoren bin ich noch immer in Kontakt. Seit 2019 konnte ich aufgrund meiner journalistischen Tätigkeit weitreichende Kontakte im Bereich Landwirtschaft, Natur und Umwelt knüpfen. Und es hört nicht auf.

Expertise und Austausch.

Wissen ist etwas ganz Besonderes. Und ich freue mich, wenn jemand sein Wissen mit mir teilt und an mich weitergibt. Ich bin jemand, der den Dingen gerne auf den Grund geht. Und ich höre nicht auf zu fragen, bis ich alles weiss, was ich wissen möchte. Im Austausch mit Menschen, die Expertise in einem Bereich haben, blühe ich auf. Und ich frage nach. Denn: mir wird Fachwissen auf einem Silbertablett serviert. Ich muss mich nicht mühsam darum bemühen, recherchieren, nachlesen oder forschen.

Minderwertigkeit.

Es gibt Menschen, denen ist das „zu viel“. Das liegt zumeist an ihrer Lebensgeschichte. Sie fühlen sich minderwertig. Sie sind es natürlich nicht. Sie fühlen sich nur so. Jemand, der aus der Minderwertigkeit kommt, ist leicht überfordert, weil er das Wissen von anderen schwer annehmen kann. Weiss jemand etwas besser als er, oder weiss jemand mehr, dann fühlt sich dieser Mensch zurückgesetzt, klein und wird unsicher. Er kann damit nicht umgehen. Er ist überfordert. Das hat auch etwas mit Selbstliebe zu tun. Ist man mit sich selbst zufrieden, und geht selbstbewußt als starke Persönlichkeit durch’s Leben, dann ist ein anderer Mensch, der etwas „besser“ weiss oder mehr weiss, eine Bereicherung und man ist nicht überfordert.

Überforderung.

So sind mein Mann und ich in unserem Austausch zu dem Schluß gekommen, dass diese Überforderung nicht durch mich stattfindet, sondern erst bei der jeweils anderen Person „passiert“, also bei jener Person, die überfordert ist. Denn: ich kann nichts für diese Überforderung. Diese liegt ja nicht in meinem Bereich. Sie findet bei der anderen Person statt. Und ich erlebe sie in meinem Umfeld auch nicht. Ganz im Gegenteil: wenn ich Expertise habe, dann freuen sich andere über einen regen Austausch und nehmen mein Wissen an. Umgekehrt genau so: auch ich freue mich über eine Wissensweitergabe durch andere an mich. Offenbar hat mein Mann hier ein Umfeld, dass sich eher überfordert fühlt.

Wertschätzung.

Man bedankt sich auch für einen Austausch von Wissen. „Danke, dass Du uns Einblicke in Deine Arbeit gewährst“, hat mir vor kurzem jemand geschrieben. So in etwa kenne ich das aus meinem Umfeld. Und nicht „Du weisst schon wieder alles besser.“ Wertschätzung ist ein ganz wichtiger Aspekt in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Wenn ich über die Arbeit auf unserem Hof berichte, bekomme ich viele positive Nachrichten, von Freunden, Bekannten und auch flüchtigen Bekanntschaften. Zum Beispiel: „Interessanter Einblick in die Arbeit der Bauern, von dem unsereins Städter nichts wirklich versteht.“ oder einfach „danke, das habe ich noch nicht gewußt.“

Wissen.

Francis Bacon (1561-1626) sagte einmal „Knowledge is power“. „Wissen ist Macht.“ Damit meinte er, dass jemand, der (mehr) Wissen hat, den anderen gegenüber im Vorteil ist. Nicht umsonst möchten viele Eltern, dass ihre Kinder eine höhere Schule besuchen und studieren, oder dass sie eine gute Lehrausbildung machen und danach trachten später auch die Meisterprüfung abzulegen. Seit ich wieder in meiner Heimatgemeinde bin, habe ich das Gefühl, man wird hier für Wissen bestraft. Also das, wofür ich früher reichlich entlohnt wurde, dafür muss ich mich jetzt benahe entschuldigen. Das werde ich natürlich nicht tun.

Zum Schluss möchte ich noch gerne Benjamin Franklin (1706-1790) zitieren und jenen auf den Weg geben, die vielleicht noch am Beginn ihres Lebens, ihrer Ausbildung oder Karriere stehen. Er sagte:

„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“


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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Christof Schwenniger

    Starker Text! Danke!
    Nach meiner Erfahrung ist die Autorin hochintelligent, und sie hat die Fähigkeit zu sehr komplexen Denksträngen.
    Das überfordert jene, die eindimensional denken.
    Viele verstehen komplexe Gedanken nicht, und wenn sie diesen nicht folgen können, qualifizieren sie diese als dumm (weil in irgendeiner Weise unverständlich) ab.
    Damit muss man leben.

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