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Trump, Putin und die Ukraine.

Mit Spannung wird das Ergebnis des Alaska-Gipfels erwartet. Worüber kaum jemand spricht, sind die innerukrainischen verfassungsrechtlichen Aspekte der zu erwartenden Gebietsabtretungen.

Politikwissenschaftler @BalderGullveig hat dieses sehr komplexe Gebiet im Detail analysiert.

Das morgige Gipfeltreffen in Alaska zwischen Präsident Trump und Kremlchef Putin wird als Kernthema die Frage von Gebietsabtretungen der Ukraine beinhalten. Im Raum steht, dass Russland die Bezirke/Oblasten Donetsk und Luhansk vollständig und Kharkiv und Sumy teilweise zugesprochen werden sollen.

Unabhängig davon, dass die EU in diesem Konflikt aufgrund ihrer ideologischen Fixierung und in Verbindung mit ihrer selbstgewählten geopolitischen Selbstverzwergung eine sehr unrühmliche Rolle gespielt hat, die Tausenden von Menschen beider Kriegsparteien das Leben oder die Gesundheit und den Bürgern der EU ein Vermögen gekostet haben, hat sie nun einen wichtigen Punkt auf das Tableau gebracht.

Sollten sich Trump und Putin und später auch Selenskyj und gegebenenfalls weitere Staatsmänner top down, also realpolitischen Impulsen folgend, auf eine territoriale Neuordnung einigen, bleibt das Problem, dass Gebietsabtretungen durch die Verfassung der Ukraine mit hohen Hürden belegt sind.

Derzeit Referendum in der Ukraine erforderlich.

Nach den verfassungsrechtlichen Bestimmungen wäre dazu ein gesamtukrainisches Referendum erforderlich, das also für alle Ukrainer zugänglich sein muss, auch für geflüchtete oder in den besetzten Gebieten lebende Staatsbürger. Diese müssten dann mit einfacher Mehrheit für die Gebietsabtretung stimmen. Ein solcher Prozess würde eine Friedensfindung zunächst unbestritten wesentlich verzögern. Insbesondere wird auch Putin ein solches Vorgehen ablehnen, müsste er doch befürchten, dass die EU entsprechend ihrer bisherigen Politik jede territoriale Neuordnung torpedieren und das Referendum gezielt beeinflussen würde.

Man darf auch getrost annehmen, dass die EU Selenskyj massiv drängt, die Notwendigkeit der innerukrainischen Rechtmäßigkeit einer jeden Vereinbarung zu fordern. Einerseits sollen so schnelle Vereinbarungen erschwert werden, andererseits ist dieser Anspruch in der Tat nicht von der Hand zu weisen und ebenso berechtigt wie notwendig.

Die Verfassung.

Was wären nun mögliche Optionen, um Gebietsabtretungen der Ukraine auch nach innen, also verfassungsrechtlich abzusichern?

Die Verfassung der Ukraine regelt klar, dass weder Selenskyj noch das Parlament die Befugnis besitzen, über Gebietsabtretungen zu entscheiden. Dies kann alleine das ukrainische Volk mittels des erwähnten Referendums.

Derzeit herrscht jedoch Kriegsrecht in der Ukraine. Und dieses lässt weder ein Referendum noch eine hilfsweise Änderung der entsprechenden Verfassungsrichtlinien zu. Eine Gebietsabtretung wäre daher unter der aktuellen Verfassung und den Bedingungen des Kriegsrechts nicht möglich, ohne gegen grundlegende Verfassungsprinzipien zu verstoßen. Zuallererst müsste also das Kriegsrecht aufgehoben werden.

Aufhebung des Kriegsrechts.

Dies ist jedoch nicht ungefährlich, solange der Frieden nicht endgültig und durch Sicherheitsgarantien gedeckt ist. Und dies ist vor allem gefährlich für Selenskyj selbst, endete doch seine reguläre Amtszeit bereits am 20. Mai 2024. Er bleibt jedoch aufgrund der Verfassung und des Kriegsrechts im Amt, bis Wahlen möglich sind. Und dies wäre nach Aufhebung des Kriegsrechts unstrittig der Fall.

Man darf annehmen, dass die EU mit allen Mitteln eine Wiederwahl Selenskyjs herbeiführen wollen würde. Aber sicher ist diese eben nicht. Deshalb käme eventuell eine befristete Aufhebung des Kriegsrechts in Betracht. Dies könnte allerdings zu schweren innenpolitischen Friktionen bis hin zu großen Demonstrationen und Aufständen führen – zumal wenn die Wiedereinsetzung des Kriegsrechts dem empfundenen Sicherheitsgefühl der Bevölkerung bei einem zwischenzeitlich sich als tragfähig erweisenden Waffenstillstandsabkommen mit Russland widerspricht.

Es gibt bereits Stimmen innerhalb der EU, die fordern, den Status der in Rede stehenden Gebiete später zu klären. Im Kern bedeutet dies, den Konflikt einzufrieren auf unbestimmte Zeit. Dass Putin auch dies ablehnen wird, darf als sicher gelten. Neben grundsätzlichen Erwägungen wird er sicher auch durch die klandestin-kontroversen Aktivitäten der EU – etwa im Umfeld der letzten Wahl in Rumänien – sensibilisiert sein. Jede Lösung, die somit nicht auf einer international anerkannten Gebietsabtretung, sondern etwa lediglich etwa einem Rückzug ukrainischer Truppen beruht, scheidet somit von vornherein aus.

Die Problematik der Gebietsabtretungen.

Was aber wären pragmatische Ansätze, die eine top down herbeigeführte Veränderung des Staatsgebietes der Ukraine als unabdingbare Voraussetzung für Frieden ermöglichen könnten? Klar ist, einen Weg ohne Implikationen und Friktionen gibt es nicht.

Wenn Trump, Putin und später Selenskyj eine Gebietsabtretung befürworten und ein Referendum ausgeschlossen oder nicht abgewartet wird, kommen nur außerverfassungsrechtliche de-facto-Maßnahmen in Betracht. Das bedeutet, das Ziel wäre dann ein grundsätzlich von allen Beteiligten akzeptierter Friedensvertrag, der die Gebietsabtretung genau geografisch definiert und die dann in einem internationalen Abkommen münden, das die Ukraine (unter Druck) akzeptiert.

Selenskyj könnte als Präsident ein Abkommen unterzeichnen, das die Abtretung bestimmter Gebiete an Russland impliziert, ohne die Bevölkerung per Referendum zu befragen. Das ukrainische Parlament (Werchowna Rada) müsste gemäß Artikel 85 der Verfassung internationale Verträge ratifizieren, was eine Zweidrittelmehrheit erfordern könnte, wenn es sich um „wesentliche“ Änderungen handelt, was zweifellos der Fall wäre.

Ein solches Vorgehen wäre international extrem problematisch und völkerrechtlich fragwürdig. Innerukrainisch wäre es verfassungsrechtlich illegal, was das Abkommen im Inland rechtlich anfechtbar macht. Das Verfassungsgericht der Ukraine könnte es für nichtig erklären. Natürlich sind auch Proteste bis hin zu eine politischen Instabilität möglich. Entscheidend ist aber, dass sich international der Fall Krim wiederholen würde. Die UN-Generalversammlung hat diesbezüglich mehrfach die territoriale Integrität der Ukraine bekräftigt und die Annexion der Krim sowie die Besetzung anderer Gebiete verurteilt. Eine Gebietsabtretung ohne Referendum würde wahrscheinlich keine breite internationale Anerkennung finden.

Zustimmung des Parlaments statt Referendum als pragmatische Handlungsoption.

Grundvoraussetzung wäre deshalb, dass die internationale Gemeinschaft (zum Beispiel UNO, EU, NATO) das zu erzielende Abkommen anerkennt und nicht als Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen (Prinzip der territorialen Integrität) wertet. Ob die EU ganz im Gegensatz zu ihrer bisherigen dogmatischen Haltung dazu bereit ist, ist fraglich. Es läge wesentlich im Verhandlungs- und Überzeugungsgeschick Trumps, hier ein Entgegenkommen der EU zu erwirken. Unmöglich ist dies nicht – die Alternative wäre Krieg und viele Tote.

Notwendig wäre somit die Aufhebung oder Modifikation des Kriegsrechts in der Ukraine durch ein Präsidialdekret unter Zustimmung des Parlaments um entweder ein Referendum oder eine Verfassungsänderung zu ermöglichen. Pragmatisch wäre es auch, wenn der Ausgang eines Referendums zur Gebietsabtretung dahingehend zu erwarten ist, dass eine Mehrheit für die Abtretung unwahrscheinlich ist, dass auf diese per Verfassungsänderung verzichtet wird und ausschließlich eine Parlamentszustimmung gefordert wird. Dies ließe sich problemlos sachlich begründen.

Das Problem für Selenskyj.

Damit der dadurch hervorgerufene Zeitverzug von den Beteiligten in Kauf genommen wird, müssten die Vorbereitungen schnell beginnen. Um die politische Legitimität Selenskyjs für diesen Fall – also nach Beendigung oder zumindest Aussetzung des Kriegsrechts – zu wahren, müssten gleichzeitig Wahlen terminiert werden. Das wäre insgesamt der demokratisch beste Weg. Denn ohne formelle Anerkennung durch die Ukraine würde die internationale Gemeinschaft die Gebiete weiterhin als Teil der Ukraine betrachten. Zugleich erhielte Selenskyj durch Neuwahlen vorerst eine innere Legitimität, die ihm vor einem massiven Verlust an Unterstützung, möglicherweise auch einer Absetzung bewahrt. Ob er, falls er dies überhaupt anstreben würde, bei einem fairen Verfahrensablauf wiedergewählt werden würde, wäre aus heutiger Sicht fraglich. Ob er aber überhaupt ein glaubwürdiger Präsident der Ukraine in Friedenszeiten sein könnte, allerdings auch.

Die Bedeutung von Donald Trump.

Es bleibt nun abzuwarten, ob insbesondere Trump gut beraten ist und eine solche Lösung unterstützt. Sein hemdsärmeliger, machtbewusster Stil und seine Bereitschaft, seine Macht auch einzusetzen, haben Putin an den Verhandlungstisch gebracht. Sollte es Trump gelingen, nicht nur seine wirtschaftlich-handelsbezogenen Ideen und Impulse als Lockmittel einzusetzen, sondern die innerukrainischen Voraussetzungen für eine Friedenslösung zur Bedingung zu machen, würde dies sehr deutlich auf ihn als Weltstaatsmann abstrahlen. Diese Welt wäre dann friedlicher, die USA reicher, Russland auf Sicht wieder Teil der westlichen Gemeinschaft. Und der Friedensnobelpreis wäre Trump dann sicher.


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